Entscheidung
- Aktenzeichen: XXXXX -
In dem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zwischen
XXXXXXXXXXX
- die beschwerdeführende Person -
und
TikTok
- Online-Plattform –
wegen
TikToks Entscheidung gemeldete Inhalte nicht zu löschen
hat die zertifizierte außergerichtliche Streitbeilegungsstelle User Rights durch ihre Streitschlichter am 06.03.2025 entschieden:
User Rights stellt fest, dass TikTok den gemeldeten Inhalt nicht von seiner Plattform entfernen muss. User Rights hat geprüft, ob der Inhalt gegen eine der rechtlichen Bestimmungen in seinem Zuständigkeitsbereich oder gegen die Richtlinien der Plattform verstößt. User Rights ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist.
I. Zusammenfassung
Die Beschwerde betrifft einen Kommentar eines TikTok-Nutzers mit dem Benutzernamen XXXX, der im Chat zu einem LIVE-Video veröffentlicht wurde. Der Kommentar besagte Antifaschisten seien bezahlte Terroristen und wurde als potenziell beleidigend und volksverhetzend gemeldet. Die beschwerdeführende Person argumentierte, dass der Kommentar eine Beleidigung gemäß § 185 StGB, möglicherweise eine Verleumdung oder auch Volksverhetzung darstelle.
User Rights hält die Entscheidung von TikTok aufrecht, den Inhalt auf der Plattform zu belassen. Durch den Kommentar wird keiner der zu prüfenden Tatbestände im Strafgesetzbuch verwirklicht. Zum einen ist der Kommentar als Werturteil schützenswert. Zudem richtet sich der Kommentar nicht gegen eine identifizierbare Person oder eine klar abgrenzbare Personengruppe. Auch ein Verstoß gegen die Richtlinien von TikTok liegt nicht vor. Die angesprochene Gruppe ist nicht durch geschützte Eigenschaften im Sinne der Gemeinschaftsstandards zu Hassrede oder hasserfülltem Verhalten definiert.
II. Sachverhalt
Die Beschwerde betrifft Inhalte, die von einem TikTok-Nutzer mit dem Benutzernamen XXXX am XX Februar 2025 gepostet wurden.
Der streitgegenständliche Inhalt ist ein Kommentar, den XXXX in einem Chat zu einem Live-Video auf TikTok veröffentlichte. Das LIVE-Video war von einem Benutzer mit dem TikTok-Namen XXXXXXXXXX gestartet worden. Der Kommentar des Benutzers XXXX lautete: Antifaschisten seien bezahlte Terroristen Laut der Profilbeschreibung des Benutzers XXXXXXXXXX beschäftige sich dieser mit politischen Themen und schafft Diskurs Viele seiner Beiträge enthalten Wahlwerbeslogans der Partei "Die Linke" bzw. Zitate von Politikern der Partei "Die Linke".
Am gleichen Tag meldete die beschwerdeführende Person den Kommentar wegen eines Richtlinienverstoßes gegenüber der Plattform. Am folgenden Tag erwiderte TikTok, dass sie den Kommentar auf der Plattform beließen, da sie keinen Verstoß hätten feststellen können.
Am gleichen Tag wandte sich die beschwerdeführende Person mit der Meldung an User Rights, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kommentar um einen rechtswidrigen Inhalt handele. Die beschwerdeführende Person gab an, dass der Nutzer XXXX die Teilnehmer des LIVE-Videos als "bezahlte Terroristen" bezeichnet habe. Dies stelle eine Beleidigung gegenüber den Teilnehmern dar. Er fügte hinzu, dass dies möglicherweise auch als Volksverhetzung angesehen werden könne.
Am 11. Februar 2025 informierte User Rights TikTok über die Beschwerde bei User Rights und gab die Möglichkeit zur Stellungnahme.
User Rights forderte TikTok auf, zusätzliche Informationen zur Rechtfertigung der getroffenen Moderationsentscheidung bereitzustellen. Bezüglich der Fakten und Umstände, auf die sich die Plattform bei ihrer Entscheidung stützte, erklärte TikTok, dass die Plattform den gemeldeten Inhalt überprüft habe und dass dieser nicht gegen die Community-Richtlinien verstoße.
Am 4. März 2025 bot User Rights der beschwerdeführenden Person an, mit einer Frist bis zum 11. März 2025 auf die Stellungnahme der Plattform zu antworten. Am 4. März 2025 antwortete die beschwerdeführende Person auf die Stellungnahme der Plattform. Die beschwerdeführende Person behauptete, dass Antifaschisten offensichtlich keine bezahlten Terroristen seien. Er erklärte, dass eine solche Aussage eine Beleidigung gemäß § 185 des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) darstelle und möglicherweise auch als Verleumdung gemäß § 186 StGB qualifiziert werden könne.
III. Zulässigkeit
Die Beschwerde ist zulässig.
User Rights ist zertifiziert, um Streitigkeiten zwischen Anbietern von Online-Plattformen und Nutzern in Bezug auf die Moderation von Inhalten, die auf einer Social-Media-Plattform auf Deutsch oder Englisch veröffentlicht wurden, zu entscheiden. TikTok ist eine Social-Media-Plattform. Der relevante Inhalt ist in Deutsch verfasst, also in einer Sprache, für die User Rights zertifiziert ist. Die beschwerdeführende Person informierte TikTok über Inhalte, die sie für rechtswidrig hielt. TikTok informierte die beschwerdeführende Person, dass der Inhalt auf der Plattform bleiben würde. Gemäß Art. 20 Abs. 1 a) und Art. 21 Abs. 1 DSA kann die Entscheidung, Inhalte auf der Plattform zu belassen, bei der außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle User Rights überprüft werden.
IV. Begründetheit
Die Beschwerde ist unbegründet.
User Rights hält die Entscheidung von TikTok aufrecht, den Inhalt auf der Plattform zu belassen. User Rights stellt fest, dass der Inhalt weder gegen das Gesetz noch gegen die Richtlinien der Plattform verstößt und daher nicht entfernt werden muss. Diese Bewertung beschränkt sich auf die rechtlichen Bestimmungen und Richtlinien, die in den Zuständigkeitsbereich von User Rights fallen.
1. Prüfungsumfang
Wenn Anbieter von Online-Plattformen entscheiden, Inhalte nach einem Hinweis auf deren potenzielle Rechtswidrigkeit auf der Plattform zu belassen, prüft User Rights umfassend im Rahmen seiner Befugnisse, ob die Inhalte gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Wenn dies nicht der Fall ist, prüft User Rights, ob die Inhalte gegen die Richtlinien der Online-Plattform verstoßen.
2. Inhaltliche Prüfung
a. Der Nutzer XXXX hat mit seinem Kommentar keine von User Rights zu prüfenden Tatbestände aus dem StGB verwirklicht. Der Kommentar stellt keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne des Art. 16 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 DSA dar.
Der Kommentar ist nicht als Beleidigung gemäß § 185 StGB einzuordnen.
Unter einer Beleidigung im Sinne von § 185 StGB ist der Angriff auf die Ehre einer Person durch vorsätzliche Kundgabe von Nicht-, Gering- oder Missachtung zu verstehen (Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 1 m.w.N.). Erforderlich ist, dass der betroffenen Person der sittliche, personale oder soziale Geltungswert durch das Zuschreiben negativer Qualitäten ganz oder teilweise abgesprochen wird (Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 2 m.w.N).
Dies kann insbesondere durch Äußerung eines beleidigenden Werturteils gegenüber der betroffenen Person erfolgen (Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 1 m.w.N). Als Werturteil gilt eine durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerung (Grabenwarter, in Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Werkstand 105. EL August 2024, Art. 5 GG, Rn 47; BVerfGE 7, 198 (210); 61, 1 (8); 90, 241 (247); 124, 300 (320)). Im Gegensatz dazu ist eine Tatsachenbehauptung Beweisen zugänglich. Zwar liegen der Äußerung Antifaschisten seien bezahlte Terroristen Tatsachenbehauptungen zugrunde. Die Verwendung des Adjektivs “bezahlt” spielt gerade auf die aktuelle Berichterstattung sowie im Internet kursierende Behauptungen an, dass einige Organisatoren der Demonstrationen gegen den Rechtsruck vor der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 aus staatlichen Mitteln finanziert worden seien. In diesem Zusammenhang hat eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion im Bundestag an die Bundesregierung vom 24. Februar 2025 für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Darin wurde der Anteil staatlicher Fördermittel an der Finanzierung von Nicht-Regierungsorganisationen wie Omas gegen Rechts, BUND oder Greenpeace erfragt, die auch zu den erwähnten Demonstrationen aufgerufen hatten (tagesschau.de, Union empört mit Fragen zu NGOs, veröffentlicht am 26. Februar 2025, abgerufen am 6. März 2025 unter https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/union-anfrage-organisationen-102.html).
Die Bezeichnung “Terrorist” ist auf die Tatsachenbehauptung zurückzuführen, dass es gewaltbereite Kräfte in der antifaschistischen Szene gibt.
Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Äußerung jedoch auf dem Element der Stellungnahme und ist als Werturteil zu kategorisieren. In der Äußerung wird ein Tatsachenkern verkürzt und vereinfacht dargestellt. Damit wird insbesondere die Haltung des Verfassers gegenüber Vertretern der antifaschistischen Szene bzw. politisch links orientierten Personen, wie dem Urheber des LIVE-Videos, verdeutlicht.
Gemäß § 185 StGB müssen von einer Beleidigung betroffene Personen identifizierbar sein. Wenn kollektiv ein bestimmter Typus von Personen - wie hier Anhänger der antifaschistischen Szene - angesprochen werden, muss sich für eine Strafbarkeit nach § 185 StGB die Äußerung auf eine eindeutig unterscheidbare und begrenzte Personengruppe beziehen, die sich von der Allgemeinheit abhebt, klar definierbar ist und deren Mitglieder zweifelsfrei identifiziert werden können (Valerius, in BeckOK-StGB, 64. Edition, Stand: 01.02.2025, § 185 StGB, Rn. 9). Diese Identifizierung war vorliegend nicht möglich. Das LIVE-Video hatte der Nutzer XXXXXXXXXX öffentlich auf TikTok gestartet. Wie der Kommentar belegt, wurden nicht nur Nutzerinnen und Nutzer mit linksgerichteter politischer Einstellung als Zuschauer zugelassen, weshalb sich der Kommentar nicht an eine eindeutig unterscheidbare und begrenzte Personengruppe, die sich von der Allgemeinheit abhebt und klar definierbar ist, richtete. Die am LIVE-Video und Chat teilnehmenden Nutzerinnen und Nutzer konnten außerdem nicht zweifelsfrei identifiziert werden.
Eine Strafbarkeit wegen übler Nachrede nach § 186 StGB bzw. Verleumdung nach § 187 StGB scheitert daran, dass die Äußerung schwerpunktmäßig ein Werturteil und keine Tatsachenbehauptung ist. Eine derartig pauschale Aussage, dass alle Antifaschisten ohne Einschränkung Terroristen sind, die vom Staat bezahlt werden, ist einem Beweis nicht zugänglich. Dem Wortlaut nach setzen § 186 und § 187 StGB außerdem Tatsachenbehauptungen “in Beziehung auf einen anderen” voraus. Hier lassen sich jedoch weder eine einzelne Person noch eine klar abgrenzbare Personengruppe als Adressaten ausmachen.
Auch der Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB scheidet aus. Weder richtet sich der Kommentar gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe oder aufgrund bestimmter Merkmale unterscheidbare Teile der inländischen Bevölkerung (Abs. 1 Nr. 1), noch wird damit die Menschenwürde anderer angegriffen (Abs. 1 Nr. 2). Ebenso erscheint der Kommentar nicht dazu geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
b. Der Inhalt verstößt auch nicht gegen die Richtlinien der Online-Plattform.
User Rights stellt fest, dass die für die Bewertung des Inhalts in diesem Fall heranzuziehende Richtlinie die Gemeinschaftsstandards zu Hassrede oder hasserfüllten Verhalten sind. Zweck dieser ist der Schutz einer Personengruppe mit geschützten Eigenschaften. Nach der Definition von TikTok sind diese Eigenschaften angeboren bzw. unveränderlich, wie z. B. ethnische Herkunft, Nationalität, Religion, Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung oder Behinderung. Angehörige der antifaschistischen Szene, gegen die sich der streitgegenständliche Kommentar richtet, verbindet jedoch nicht eine dieser geschützten Eigenschaften, sondern ihre politische Einstellung.
V. Ergebnis
User Rights stellt fest, dass TikTok den gemeldeten Inhalt nicht von seiner Plattform entfernen muss. User Rights hat geprüft, ob der Inhalt gegen eine der rechtlichen Bestimmungen in seinem Zuständigkeitsbereich oder gegen die Richtlinien der Plattform verstößt. User Rights ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist.
Hinweis: Die Entscheidungen von außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen sind gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 3 DSA für Plattformen nicht bindend. Im Rahmen ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit nach Treu und Glauben gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 1 des DSA müssen Plattformen jedoch prüfen, ob Gründe gegen die Umsetzung der Entscheidung sprechen und die Streitbeilegungsstellen über die Umsetzung der Entscheidung informieren.