„Allah“-Kalligraphie

ENTSCHEIDUNG: UR_2025_02
ABLEHNUNG
PLATTFORM
instagram
NORM
§ 166 StGB
SPRACHE
Deutsch
DATUM
2025-08-02
MAßNAHME
Weigerung Inhalte zu entfernen


 

Entscheidung

- Aktenzeichen: ​XXXXXXXXXX​ -


 

In dem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zwischen

 


 

XXXXXXXXXX​

- die beschwerdeführende Person -

und


 

​Instagram​

- Online-Plattform –

wegen 


 

​Instagram​s Entscheidung gemeldete Inhalte nicht zu löschen 

 

hat die zertifizierte außergerichtliche Streitbeilegungsstelle User Rights durch ihre Streitschlichter am ​13.02.2025​ entschieden:

 

User Rights stellt fest, dass Instagram den gemeldeten Inhalt nicht von seiner Plattform entfernen muss. User Rights hat geprüft, ob der Inhalt gegen eine der rechtlichen Bestimmungen in seinem Zuständigkeitsbereich oder gegen die Richtlinien der Plattform verstößt. User Rights ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist.

I. Zusammenfassung

Die Beschwerde betrifft einen Instagram-Beitrag des Nutzers XXXXXXXXXXXXX, der ein bearbeitetes Foto einer arabischen Kalligrafie des Wortes "Allah" zeigt. Die Bearbeitung lässt die Kalligrafie einem männlichen Geschlechtsteil ähneln. Die beschwerdeführende Person sieht darin antimuslimischen Rassismus und Blasphemie und fordert die Entfernung des Beitrags. Instagram lehnte die Entfernung ab, da der Beitrag nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien verstoße.

User Rights hält die Entscheidung von Instagram aufrecht, den Inhalt auf der Plattform zu belassen. Der Beitrag verstößt weder gegen nationales Strafrecht, insbesondere § 166 StGB, noch gegen die Richtlinien von Instagram. Die Bearbeitung des Fotos kann als Provokation, nicht jedoch als bösartiges Verhöhnen oder Angriff auf Personen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit gewertet werden. Daher ist eine Entfernung des Inhalts nicht erforderlich.

 

II. Sachverhalt

Die Beschwerde betrifft Inhalte, die von einem Nutzer mit dem Benutzernamen XXXXXXXXXXXXX am ​XX Oktober 2024​ gepostet wurden. Der streitgegenständliche Beitrag enthält ein Foto einer Wand mit einer großen arabischen Kalligrafie des Wortes "Allah". Die Kalligrafie ist mittig auf der Wand platziert und bildet den Mittelpunkt des Bildes. Das Foto von der Wandbemalung wurde bearbeitet und der erste Bogen der Kalligraphie mit einem Querstrich und einem Punkt versehen. Dieser Bogen ähnelt dadurch der Zeichnung eines männlichen Geschlechtsteils. Unter dem Foto befindet sich eine Bildunterschrift  mit einer Reihe von Hashtags, die sich unter anderem auf den Islam beziehen. Desweiteren enthält die Bildunterschrift den Text mit der Aufforderung das Gerät zu drehen um den “T-Rex” zu sehen. Noch am Tag der Veröffentlichung des Beitrags wandte sich die beschwerdeführende Person an User Rights. Bei der Einreichung der Beschwerde wurde die beschwerdeführende Person gebeten, relevanten Kontext anzugeben. Diese spricht sich für eine Entfernung des Instagram-Beitrags aus, da sich darin antimuslimischer Rassismus und Blasphemie manifestiere. Die beschwerdeführende Person behauptet, dass der Kontoinhaber mit seinem Beitrag das arabische Wort für Gott entstellt habe, indem er einen Penis darauf zeichnete, und stellt die Frage in den Raum, warum solche Taten toleriert würden. Sie äußert Frustration, da  anti-israelische oder anti-jüdische Inhalte schnell entfernt würden. Dass der streitgegenständliche Beitrag demgegenüber auf der Plattform belassen werde, nehme sie als Doppelmoral wahr. 

Am 1. November 2024 informierte User Rights Instagram über die Beschwerde bei User Rights und gab die Möglichkeit zur Stellungnahme. Instagram lehnt eine Entfernung des Beitrags mit der Begründung ab, dass dieser nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien verstoße. 

III. Zulässigkeit

Die Beschwerde ist zulässig. User Rights ist zertifiziert, um Streitigkeiten zwischen Anbietern von Online-Plattformen und Nutzern in Bezug auf die Moderation von Inhalten, die auf einer Social-Media-Plattform auf Deutsch oder Englisch veröffentlicht wurden, zu entscheiden. Instagram ist eine Social-Media-Plattform. Der relevante Inhalt ist in Englisch verfasst, also in einer Sprache, für die User Rights zertifiziert ist. Die beschwerdeführende Person informierte ​Instagram​ über Inhalte, die sie für rechtswidrig hielt. ​Instagram​ informierte die beschwerdeführende Person, dass der Inhalt auf der Plattform bleiben würde. Gemäß Art. 20 Abs. 1 a) und Art. 21 Abs. 1 DSA kann die Entscheidung, Inhalte auf der Plattform zu belassen, bei der außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle User Rights überprüft werden. 

IV. Begründetheit

Die Beschwerde ist unbegründet.

User Rights hält die Entscheidung von ​Instagram​ aufrecht, den Inhalt auf der Plattform zu belassen. User  Rights stellt fest, dass der Inhalt weder gegen das Gesetz noch gegen die Richtlinien der Plattform verstößt und daher nicht entfernt werden muss. Diese Bewertung beschränkt sich auf die rechtlichen Bestimmungen und Richtlinien, die in den Zuständigkeitsbereich von User Rights fallen.

1. Prüfungsumfang

Wenn Anbieter von Online-Plattformen entscheiden, Inhalte nach einem Hinweis auf deren potenzielle Rechtswidrigkeit auf der Plattform zu belassen, prüft User Rights umfassend im Rahmen seiner Befugnisse, ob die Inhalte gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Wenn dies nicht der Fall ist, prüft User Rights, ob die Inhalte gegen die Richtlinien der Online-Plattform verstoßen.

2. Inhaltliche Prüfung

a. Ein Verstoß gegen nationales Strafrecht, im Besonderen § 166 StGB, kann nicht festgestellt werden. 

Zunächst ist zu konstatieren, dass nationales Strafrecht in der vorliegenden Fallkonstellation Anwendung findet. Der Anwendungsbereich ist hier weit auszulegen, um dem Schutzzweck des Digital Services Act zum Vorgehen gegen illegale Inhalte gerecht zu werden. Ausschlaggebend ist, dass die beschwerdeführende Person in Deutschland ihren Wohn- und Aufenthaltsort hat. Sie ist als in Deutschland wohnender Muslim in ihrer religiösen Bekenntnisfreiheit betroffen. 

Der Straftatbestand des § 166 StGB ist jedoch nicht verwirklicht. Demnach wird “mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören”. 

Vorliegend scheitert es bereits am objektiven Tatbestandsmerkmal des “Beschimpfens”. Zwar betrifft die Bearbeitung des Fotos den Inhalt eines religiösen Bekenntnisses, konkret den Glauben von Musliminnen und Muslimen an Allah. “Beschimpfen” bedeutet jedoch eine durch Form oder Inhalt besonders verletzende Äußerung von Missachtung. Erlaubt ist dagegen provozierende, ironische oder alberne Kritik an einem religiösen Bekenntnis. Der Tatbestand des § 166 StGB ist jedenfalls verwirklicht, wenn es sich um eine besonders verletzende Kundgabe von Missachtung, um ein bösartiges Verhöhnen, handelt (vgl. Hörnle, in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 166, Rn 15-17). Zwar kann die Bearbeitung des Fotos bzw. der Kalligraphie, sodass diese einem Penis ähnelt, als Provokation aufgefasst werden. Zu berücksichtigen ist jedoch die Mehrdeutigkeit des bearbeiteten Fotos. So spielt der Kontoinhaber in der Bildunterschrift darauf an, dass es sich um die Zeichnung eines T-Rex handele, der beim Drehen des Bildes erkennbar werde. Prüfungsmaßstab ist die Beurteilung durch einen neutralen, auf Toleranz bedachten Betrachter (vgl. Hörnle, in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 166, Rn 17). Gerade ein neutraler Betrachter wird in dem Beitrag jedoch nicht auf Anhieb eine Verunglimpfung von Musliminnen und Muslimen und ihrem Glauben erkennen können, selbst wenn ihm die Bedeutung der Kalligraphie für Allah bekannt ist. Der Kontoinhaber spielt hier mit den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten der bearbeiteten Kalligraphie. Ein bösartiges Verhöhnen, welches geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, und damit die Toleranz gegenüber dem Islam als Religion zu vermindern, kann darin jedoch nicht gesehen werden. 

b. Der streitgegenständliche Inhalt verstößt auch nicht gegen die Richtlinien von Instagram. So käme einzig und allein ein Verstoß gegen die Richtlinie zu hasserfüllten Verhalten in Betracht. Diese definiert als zu verhinderndes hasserfülltes Verhalten direkte Angriffe auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften, wie z.B. ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, Behinderung, religiöse Zugehörigkeit, Kaste, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität und ernsthafte Erkrankung. Der Beitrag kann jedoch einzig und allein als Provokation gegenüber dem muslimischen Glauben an sich, nicht aber als Angriff auf eine bestimmte Person wegen ihrer Zugehörigkeit zum Islam gewertet werden. 

IV. Ergebnis

User Rights stellt fest, dass Instagram den gemeldeten Inhalt nicht von seiner Plattform entfernen muss. User Rights hat geprüft, ob der Inhalt gegen eine der rechtlichen Bestimmungen in seinem Zuständigkeitsbereich oder gegen die Richtlinien der Plattform verstößt. User Rights ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist.

 

Hinweis: Die Entscheidungen von außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen sind gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 3 DSA für Plattformen nicht bindend. Im Rahmen ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit nach Treu und Glauben gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 1 des DSA müssen Plattformen jedoch prüfen, ob Gründe gegen die Umsetzung der Entscheidung sprechen und die Streitbeilegungsstellen über die Umsetzung der Entscheidung informieren.






 

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