Feministische Männer

ENTSCHEIDUNG: UR_2025_05
STATTGABE
PLATTFORM
TikTok
NORM
Belästigung und Mobbing
SPRACHE
Deutsch
DATUM
2025-08-04
MAßNAHME
Löschung von Inhalten

Entscheidung

- Aktenzeichen: XXXXXXXXXX​ -


 

In dem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zwischen

 

 

XXXXXXXXXX

- die beschwerdeführende Partei -

und


 

​TikTok​

- Online-Plattform –

wegen 


 

​der Löschung von Inhalten​ auf Grundlage von ​TikTok​s ​Richtlinie zu Belästigung und Mobbing​

 

hat die zertifizierte außergerichtliche Streitbeilegungsstelle User Rights durch ihre Streitschlichter am ​22.04.2025​ entschieden:

 

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass ​TikTok​s Entscheidung, den Inhalt von der Plattform zu entfernen, ungerechtfertigt war. Der Inhalt verstößt nicht gegen die ​Richtlinie zu Belästigung und Mobbing​ und hätte auf dieser Grundlage nicht entfernt werden sollen. ​TikTok​ sollte den Inhalt daher wiederherstellen.

 

I. Zusammenfassung

Die Beschwerde betrifft ein Video der beschwerdeführenden Partei, das sich kritisch mit den Aussagen eines anderen Nutzers zum Feminismus auseinandersetzt. Der Nutzer XXXXXXXXXX hatte einen anderen Nutzer verteidigt, der wegen misogynen und transfeindlichen Äußerungen kritisiert wurde. Dieser habe dennoch viel für Gleichberechtigung getan, weshalb ihm Frauen dankbar sein müssten, so XXXXXXXXXX. Die beschwerdeführende Partei kritisierte diese Forderung in ihrem Videobeitrag. TikTok entfernte das Video wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Richtlinie zu Belästigung und Mobbing. 

User Rights stellt fest, dass die Entscheidung von TikTok, das Video zu entfernen, ungerechtfertigt war. Der Inhalt des Videos verstößt nicht gegen die Richtlinie zu Belästigung und Mobbing, da er keine herabsetzenden Aussagen über persönliche Eigenschaften oder Umstände einer konkreten Person enthält. Vielmehr handelt es sich um eine zulässige Gegenrede im Rahmen einer allgemeinen Debatte über die Rolle von Männern in feministischen Diskursen. TikTok sollte den Inhalt daher wiederherstellen.

II. Sachverhalt

Gegenstand der Beschwerde ist ein durch die beschwerdeführende Partei veröffentlichter Inhalt. In ihrem Video äußert sich diese zu den Aussagen des Nutzers XXXXXXXXXX in einem seiner Videobeiträge. Darin verteidigt dieser wiederum einen anderen Nutzer, welcher wegen misogyner und transfeindlicher Aussagen kritisiert wurde. Er fordert dazu auf, diesem anderen Nutzer dankbar zu sein, da er mehr für Gleichberechtigung getan hätte als die meisten Frauen. Bezüglich der Kritik zu misogynen und transfeindlichen Äußerungen gibt er zu bedenken, dass jeder Mensch Fehler mache. Die Forderung gegenüber Frauen, dankbar zu sein, sei eine Frechheit, kritisiert die beschwerdeführende Partei. Die Rolle von Männern im Feminismus beschränke sich darauf, zuzuhören, ihre Privilegien zu nutzen, um die Stimmen von Betroffenen zu vergrößern, und andere Männer zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie sich frauenfeindlich verhielten. Als Mann habe der Nutzer XXXXXXXXXX nichts zu sagen, wenn es um feministische Debatten ginge. Schon gar nicht hätten Frauen Männern dankbar zu sein. Zum Schluss ihres Beitrags sagt die beschwerdeführende Partei auf ironische Art und Weise, dass Frauen die Transfeindlichkeit oder Misogynie erleben, anderen Männern die sich als Feministen darstellen auch noch dankbar sein sollten Auf diese Aussage hin zeigt sie am Ende ihres Videos den ausgestreckten Mittelfinger.

Ende März entfernte ​TikTok​ den Inhalt von der Plattform. Am selben Tag legte die beschwerdeführende Partei die Entscheidung von TikTok bei User Rights zur Überprüfung vor. Sie erklärte, dass in dem Video niemand gemobbt oder belästigt werde. Es handle sich um einen Debattenbeitrag zu einer Diskussion über feministische Themen. Die Person, deren Video kommentiert wurde, habe ihre Meinung geäußert, ebenso wie die beschwerdeführende Partei dies getan habe. Letztere spreche auf einer allgemeinen gesellschaftlichen Ebene und beziehe sich nicht auf konkrete Personen, auch nicht auf die Person, deren Videoausschnitt geteilt wurde. Zudem habe die beschwerdeführende Partei direkt nach dem Hochladen einen Kommentar geschrieben, in dem sie alle dazu aufrufe, respektvoll zu bleiben und das Gesagte nicht auf konkrete Personen zu beziehen. Am 3. April 2025 informierte User Rights TikTok über die Beschwerde bei User Rights und gab die Möglichkeit zur Stellungnahme. User Rights forderte TikTok auf, zusätzliche Informationen zur Rechtfertigung der getroffenen Moderationsentscheidung bereitzustellen. Die Plattform erklärte, dass die Inhalte gegen ihre Richtlinien zu Belästigung und Mobbing verstoßen hätten. 

Am 15. April 2025 bot User Rights der beschwerdeführenden Partei an, mit einer Frist bis zum 22. April 2025 auf die Stellungnahme der Plattform zu antworten. Am 15. April 2025 antwortete die beschwerdeführende Partei auf die Stellungnahme der Plattform. Sie erklärte, dass das betreffende Video den User Guidelines nicht widerspreche, insbesondere nicht in Bezug auf Mobbing. Das Video sei ein Debattenbeitrag zur Frage, welche Rolle Männer im Feminismus einnehmen sollten. Die beschwerdeführende Partei habe sich zwar konkret auf einen anderen Creator bezogen, der ein Video zu diesem Thema gemacht habe, aber dieser oder seine Person stünden nicht im Fokus. Daher könne das Video auch kein Mobbing darstellen, da sie sich weder beleidigend noch in ähnlicher Weise geäußert habe.

III. Zulässigkeit

Die Beschwerde ist zulässig. 

User Rights ist zertifiziert, um Streitigkeiten zwischen Anbietern von Online-Plattformen und Nutzern in Bezug auf die Moderation von Inhalten, die auf einer Social-Media-Plattform auf Deutsch oder Englisch veröffentlicht wurden, zu entscheiden. TikTok ist eine Social-Media-Plattform. Der relevante Inhalt ist in Deutsch verfasst, also in einer Sprache, für die User Rights zertifiziert ist. ​TikTok​ hat Inhalte entfernt, die die beschwerdeführende Partei auf ​TikTok​ geteilt hatte. Die Entfernung von Inhalten stellt eine Maßnahme dar, die gemäß Art. 20 Abs. 1 a) und Art. 21 Abs. 1 DSA bei User Rights angefochten werden kann. 

IV. Begründetheit

Die Beschwerde ist begründet.

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung von ​TikTok​, den Inhalt von der Plattform zu entfernen, ungerechtfertigt ist. Der Inhalt verstößt nicht gegen die ​Richtlinie zu Belästigung und Mobbing​ und hätte auf dieser Grundlage nicht entfernt werden sollen. ​TikTok​ sollte den Inhalt daher wiederherstellen.

1. Prüfungsumfang

In ihrer Stellungnahme gegenüber User Rights erklärte die Online-Plattform, dass die Maßnahme aufgrund ihrer ​Richtlinie zu Belästigung und Mobbing​ erfolgt sei.

User Rights beschränkt die Prüfung auf die von der Plattform in ihrer Stellungnahme angeführte Regelung. Die Vereinbarkeit mit möglichen anderen Vorschriften wird nicht überprüft. Der Grund dafür ist, dass die Online-Plattform  gemäß Art. 17 DSA eine Maßnahme unter Angabe einer spezifischen Regelung in ihren Richtlinien begründen muss  (Art. 17 Abs. 3 e) DSA). Der Beschwerdegegenstand bestimmt sich damit maßgeblich danach, auf welche Regelung die Plattform ihre Maßnahme stützt. 

Sollte TikTok im Anschluss dieses Verfahrens feststellen, dass eine andere Richtlinie verletzt wurde, muss eine weitere Moderationsentscheidung getroffen und dem Nutzer eine neue Begründung übermittelt werden, die einen Hinweis auf diese Richtlinie enthält. Der Nutzer hat dann das Recht, diese Entscheidung gemäß Art. 20 oder Art. 21 DSA anzufechten.

2. Inhaltliche Prüfung

User Rights stützt seine Entscheidung auf die aktuelle Fassung der Richtlinien der Online-Plattform.

Der Inhalt verstößt nicht gegen die Richtlinie zu Belästigung und Mobbing. ​

Die von der beschwerdeführenden Partei geteilten Inhalte verstoßen nicht gegen die Richtlinie zu Belästigung und Mobbing. Das Video enthält eine allgemeine Kritik an der Forderung von Männern nach Dankbarkeit für die „feministische“ Arbeit anderer Männer und bezieht sich nicht auf konkrete Personen. 

Die Richtlinie zu Belästigung und Mobbing auf TikTok verbietet herabsetzende oder mobbende Aussagen oder Verhaltensweisen, einschließlich der Aufforderung zu solchen Handlungen als Vergeltung. Die Richtlinie erlaubt jedoch die Kritik an den Inhalten oder Handlungen von Einzelpersonen, solange diese Kritik nicht ihre persönlichen Eigenschaften und Umstände wie Aussehen, Intelligenz, Gesundheitszustand oder Hygiene betrifft. Daneben erlaubt die Richtlinie auch die Gegenrede (Counterspeech) bzw. das Verurteilen von Belästigung und Mobbing. 

In dem Video wird die Aussage eines anderen Creators als Aufhänger zu einem allgemeinen Debattenbeitrag der beschwerdeführenden Partei genutzt. In diesem Debattenbeitrag geht es um die Rolle von Männern in feministischen Diskursen. Obwohl die beschwerdeführende Partei auf die Meinungsäußerung des Creators XXXXXXXXXX sehr verärgert reagiert, wird dieser nicht als konkrete Zielperson aufgrund persönlicher Merkmale oder Umstände herabgewürdigt. Dem Inhalt seines Videos wird mit sachbezogenen Argumenten widersprochen. Es liegt sogar nahe, dass es sich seitens der beschwerdeführenden Partei um eine laut Richtlinie explizit erlaubte Gegenrede (Counterspeech) gegen die Hassrede des Nutzers handelt, der ursprünglich wegen Misogynie und Transfeindlichkeit auffiel. 

An dieser Beurteilung ändert auch der am Ende gezeigte Mittelfinger nichts. Ohnehin kann dieser Geste allein nicht eine Herabwürdigung aufgrund persönlicher Eigenschaften oder Umstände entnommen werden. Zudem richtet sich auch die Geste nicht gegen ein konkretes Gegenüber wie den Nutzer XXXXXXXXXX. Stattdessen trifft die beschwerdeführende Partei dazu eine allgemeine ironische Aussage (s.o.), um die Absurdität der Forderung von XXXXXXXXXX aufzuzeigen und ihren Ärger darüber auszudrücken. 

Daher verstößt das Video nicht gegen die Richtlinie zu Belästigung und Mobbing.​

V. Ergebnis

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass ​TikTok​s Entscheidung, den Inhalt von der Plattform zu entfernen, ungerechtfertigt war. Der Inhalt verstößt nicht gegen die ​Richtlinie zu Belästigung und Mobbing​ und hätte auf dieser Grundlage nicht entfernt werden sollen. ​TikTok​ sollte den Inhalt daher wiederherstellen.
 

Hinweis: Die Entscheidungen von außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen sind gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 3 DSA für Plattformen nicht bindend. Im Rahmen ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit nach Treu und Glauben gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 1 des DSA müssen Plattformen jedoch prüfen, ob Gründe gegen die Umsetzung der Entscheidung sprechen und die Streitbeilegungsstellen über die Umsetzung der Entscheidung informieren.


 

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