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DECISION: UR_2025_26
OVERTURNED
PLATFORM
Instagram
NORM
Bullying and Harassment
sex
LANGUAGE
German
DATE
June 2025
MEASURE
Account Suspension

Entscheidung

- Aktenzeichen: XXXXX-


 

In dem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zwischen

 


 

XXXXXXXXXX

- die beschwerdeführende Partei -

und


 

​Instagram​

- Online-Plattform –

wegen 


 

​der dauerhaften Sperrung eines Accounts​ auf Grundlage von ​Instagram​s ​Richtlinie zu sexuell motivierter Kontaktaufnahme​ sowie der Richtlinie zu Belästigung und Mobbing

hat die zertifizierte außergerichtliche Streitbeilegungsstelle User Rights durch ihre Streitschlichter am ​27.06.2025​ entschieden:

 

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung, das Konto der beschwerdeführenden Partei dauerhaft zu sperren, ungerechtfertigt ist. Die in der Richtlinie zur Deaktivierung von Konten geregelten Voraussetzungen für eine dauerhafte Kontensperrung liegen nicht vor. Das Konto hätte auf dieser Grundlage nicht gesperrt werden sollen und sollte wiederhergestellt werden. 

 

I. Zusammenfassung

Die Beschwerde betrifft die dauerhafte Sperrung des Instagram-Accounts der beschwerdeführenden Partei mit dem Nutzernamen XXXXXXXX. Instagram begründete die Sperrung mit Verstößen gegen die Richtlinien zu sexuell motivierter Kontaktaufnahme sowie Mobbing und Belästigung. Die beschwerdeführende Partei bestreitet jegliche Verstöße und betont, dass ihr Profil als “18+” gekennzeichnet sei und keine expliziten sexuellen Inhalte enthalte.

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Sperrung des Kontos ungerechtfertigt ist. Die geteilten Inhalte verstoßen nicht gegen die genannten Richtlinien, da sie keine sexuellen Begegnungen oder Dienstleistungen fördern und keine pornografischen Inhalte enthalten. Zudem sind alle Links zu sensiblen Inhalten entsprechend gekennzeichnet. Die dauerhafte Sperrung stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit dar. User Rights empfiehlt daher, das Konto wiederherzustellen.

 

II. Sachverhalt


Gegenstand der Beschwerde ist der Instagram-Account der beschwerdeführenden Partei mit dem Nutzernamen XXXXXXXX

Auf dem Profilbild des Accounts ist eine Person abgebildet, die vor einem Spiegel ein Selfie von sich macht. Das Gesicht der Person - offenbar die beschwerdeführende Partei - ist durch ihr Handy verdeckt. Sie trägt ein bauchfreies Oberteil und eine Jeans. Der in der Bio des Instagram-Kontos zu lesende Text erklärt, die Person sei Deutsch und trans und kreiert (Flammen-Emoji) Content. Die Bio enthält auch einen Linktree-Link. Die Linktree-Seite enthält u. a. einen Button mit dem Hinweis zu einem Ratgeber zu sexueller Orientierung und Identitätsfindung.    Daneben sind Buttons so überschrieben mit "Sensitive Content" enthalten. Die Texte auf den Buttons verweisen auf einen Fansly Account oder Telegram. Eine letzte Unterkategorie wirbt mit als sexy aber einfach beschriebenen Content. Sie betitelt Buttons mit Aufschriften wie XXXXXXXXXXXX und XXXXXXXXXX. Die Linktree-Seite weist auch Fotos von dem Oberkörper der beschwerdeführenden Partei ohne Gesicht auf. Auf diesen ist sie leicht bekleidet mit Unterwäsche oder kurzen Oberteilen  zu sehen. Der Intimbereich der abgebildeten Person ist stets verdeckt. 

User Rights liegt daneben ein Screenshot von einem Post der beschwerdeführenden Partei vor. Dieser enthält ein Foto einer Person, die ohne Gesicht abgebildet und mit einem kurzen bauchfreien Oberteil und einem Stringtanga bekleidet ist. Die Person legt auf dem Bild ihre Hände in die Hüften. Zugleich ist eine Person zu sehen, die von hinten ebenfalls die Hände an die Hüften der Person im Vordergrund legt. Ansonsten ist die zweite Person im Hintergrund auf dem Foto unkenntlich gemacht worden. In der Caption zu dem Post ist der folgende Text zu lesen: Montag, neues Outfit – und diesmal nicht allein: Meine Herrin steht an meiner Seite und macht klar, wem ich gehöre. Während andere mit Kaffee starten, beginne ich mit Kontrolle, Stil und einem Hauch Hingabe. Zusätzlich gibt es eine englische Übersetzung. Der Post enthält Hashtags zu Femboy Identität, Dominanz und Stil. 

Am XX Mai 2025​ sperrte  ​Instagram​ das Konto der beschwerdeführenden Partei dauerhaft. 

Am 27. Mai 2025 legte die beschwerdeführende Partei die Entscheidung von Instagram bei User Rights zur Überprüfung vor. Die beschwerdeführende Partei bat um Unterstützung bei der Überprüfung und Wiederherstellung ihres dauerhaft gesperrten Instagram-Profils XXXXXXXXX. Sie erklärte, dass die Sperrung ohne nachvollziehbare Begründung erfolgt sei, obwohl sie nach bestem Wissen keine der geltenden Richtlinien verletzt habe. Ihr Profil sei eindeutig als „18+“ gekennzeichnet gewesen, jedoch seien alle veröffentlichten Inhalte ausschließlich FSK12-freigegeben gewesen, wie beispielsweise ästhetische Fotos in Outfits, ohne Nacktheit oder explizite Texte. 

Die beschwerdeführende Partei betonte, keine privaten Nachrichten mit sexuellen Inhalten oder Hinweisen auf Treffen versendet zu haben und alle externen Links, über Linktree korrekt als „Sensitive Content“ deklariert zu haben. Sie habe mehrfach ungefragt FSK18-Bilder von anderen Nutzern erhalten, auf die sie stets angemessen reagiert und die sie umgehend gemeldet habe. Trotzdem sei ihr Account deaktiviert worden, vermutlich aufgrund eines Missverständnisses oder eines automatisierten Prozesses. 

Da sie über den offiziellen Support von Meta keine transparente Antwort auf ihre Einsprüche erhalten habe, bittet die beschwerdeführende Partei dringend um eine manuelle Prüfung des Falls, eine klare Begründung, welche Inhalte beanstandet wurden, und die Freischaltung ihres Accounts, sofern kein tatsächlicher Verstoß festgestellt werden kann. Sie sei bereit, sämtliche bisherige Nachrichten, Screenshots und Nachweise zur Verfügung zu stellen, und bedankte sich im Voraus für die Unterstützung. 

Am 28. Mai 2025 informierte User Rights Instagram über die Beschwerde bei User Rights und gab die Möglichkeit zur Stellungnahme. User Rights forderte Instagram auf, zusätzliche Informationen zur Rechtfertigung der getroffenen Moderationsentscheidung bereitzustellen. Instagram berief sich in seiner Einlassung auf die Richtlinie zu sexuell motivierter Kontaktaufnahme​ sowie die Richtlinie zu Belästigung und Mobbing und beharrte auf der Entscheidung, das Konto dauerhaft zu sperren.
 

III. Zulässigkeit

Die Beschwerde ist zulässig. 

User Rights ist zertifiziert, um Streitigkeiten zwischen Anbietern von Online-Plattformen und Nutzern in Bezug auf die Moderation von Inhalten, die auf einer Social-Media-Plattform auf Deutsch oder Englisch veröffentlicht wurden, zu entscheiden. Instagram ist eine Social-Media-Plattform. Der relevante Inhalt ist in Deutsch verfasst, also in einer Sprache, für die User Rights zertifiziert ist. ​Instagram​ hat das Konto dauerhaft gesperrt. Die dauerhafte Sperrung von Benutzerkonten stellt eine Maßnahme dar, die gemäß Art. 20 Abs. 1 a) und Art. 21 Abs. 1 DSA bei der außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle User Rights überprüft werden kann. 

 

IV. Begründetheit

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung, das Konto der beschwerdeführenden Partei dauerhaft zu sperren, ungerechtfertigt ist. Die in der Richtlinie zur Deaktivierung von Konten geregelten Voraussetzungen für eine dauerhafte Kontensperrung liegen nicht vor. Das Konto hätte auf dieser Grundlage nicht gesperrt werden sollen und ist wiederherzustellen.

1. Prüfungsumfang

In ihrer Stellungnahme gegenüber User Rights erklärte die Online-Plattform, dass die Maßnahme aufgrund ihrer ​Richtlinien zu sexuell motivierter Kontaktaufnahme​ sowie Mobbing und Belästigung erfolgt sei.

User Rights beschränkt die Prüfung auf die von der Plattform in ihrer Stellungnahme angeführte Regelung. Die Vereinbarkeit mit möglichen anderen Vorschriften wird nicht überprüft. Der Grund dafür ist, dass die Online-Plattform  gemäß Art. 17 DSA eine Maßnahme unter Angabe einer spezifischen Regelung in ihren Richtlinien begründen muss  (Art. 17 Abs. 3 e) DSA). Der Beschwerdegegenstand bestimmt sich damit maßgeblich danach, auf welche Regelung die Plattform ihre Maßnahme stützt. 

Sollte Instagram im Anschluss dieses Verfahrens feststellen, dass eine andere Richtlinie verletzt wurde, muss eine weitere Moderationsentscheidung getroffen und dem Nutzer eine neue Begründung übermittelt werden, die einen Hinweis auf diese Richtlinie enthält. Der Nutzer hat dann das Recht, diese Entscheidung gemäß Art. 20 oder Art. 21 DSA anzufechten.

2. Inhaltliche Prüfung

User Rights stützt seine Entscheidung auf die aktuelle Fassung der Richtlinien der Online-Plattform. 

Gemäß der Instagram-Richtlinie zur Deaktivierung von Konten setzt diese entweder einen besonders schwerwiegenden Richtlinienverstoß oder wiederholte Richtlinienverstöße voraus. 

Es kann allerdings schon kein Verstoß gegen die Richtlinie zu sexuell motivierter Kontaktaufnahme festgestellt werden. Die Richtlinie zu Mobbing und Belästigung ist in Anbetracht des User Rights vorliegenden Sachverhalts ebenfalls nicht einschlägig.  Mithin sind die Voraussetzungen für eine Kontodeaktivierung erst recht nicht erfüllt. 

Die von der beschwerdeführenden Person geteilten Inhalte verstoßen nicht gegen die Richtlinie zur sexuell motivierten Kontaktaufnahme und sexuell expliziten Sprache. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Inhalte sexuelle Begegnungen oder kommerzielle sexuelle Dienstleistungen zwischen Erwachsenen erleichtern oder pornografische oder sexuelle Inhalte anbieten oder nachfragen. 

Die Richtlinie zur sexuell motivierten Kontaktaufnahme und sexuell expliziten Sprache verbietet Inhalte, die sexuelle Begegnungen oder kommerzielle sexuelle Dienstleistungen zwischen Erwachsenen erleichtern oder pornografische oder sexuelle Inhalte anbieten oder nachfragen. Dazu gehören Angebote oder Anfragen für sexuelle Begegnungen, die Verwendung von Slang-Begriffen für Prostitution in Verbindung mit einem Angebot oder einer Anfrage, sowie die Darstellung oder Erwähnung von sexuellen Begegnungen oder Partnern mit einem Preis oder anderen Hinweisen auf monetäre oder Sachtransaktionen. 

Der Instagram-Account enthält keinerlei Angebote oder Anfragen für sexuelle Begegnungen oder Dienstleistungen. Zwar enthält die Linktree-Seite Links zu anderen Websites mit sexuellen Inhalten, über die ggf. auch eine sexuelle Kontaktaufnahme ermöglicht wird. Dies betrifft jedoch nicht das Instagram-Profil selbst. Zudem sind die entsprechenden Links als sensible Inhalte (“sensitive content”) gekennzeichnet. 

Ebenso wenig weist das Instagram-Profil pornografische Inhalte auf oder verlinkt direkt auf pornografische Websites. Das Instagram-Profil enthält mit den beschriebenen Fotos zwar freizügige Inhalte. Allerdings sind explizit keine Geschlechtsakte oder Genitalien zu sehen. Die Caption zu dem oben beschriebenen streitgegenständlichen Beitrag enthält zwar die Beschreibung eines Fetischs. Allerdings wird keine sexuell explizite oder anzügliche Sprache verwendet. Die Links mit dem Titel XXXXXXXXXXXX führen nicht direkt zu pornografischen Inhalten. Hier ist eine Anmeldung auf der Ziel-Website nötig, um diese zu erreichen. Dass Links zu Websites wie “OnlyFans” oder “Fansly” nicht als Links zu pornografischen Websites einzuordnen sind, kann durch die Richtlinienklausel belegt werden, dass “Links zu solchen Abonnement-Websites nur für Erwachsene ab 18 Jahren sichtbar” sein sollen. Diese Links sind also nicht ausdrücklich verboten, sondern haben mildere einschränkende Maßnahmen zur Folge. 

Insgesamt ist ohnehin zu berücksichtigen, dass der Account der beschwerdeführenden Partei von vornherein nur für Nutzerinnen und Nutzer ab 18 Jahren sichtbar war. Auf ihrer Linktree-Seite hat die beschwerdeführende Partei außerdem auf Links zu sensiblen Inhalten hingewiesen und die Links entsprechend kategorisiert. 

Vor diesem Hintergrund hält eine dauerhafte Accountsperre vorliegend auch einer Grundrechtsprüfung nicht stand. Die Maßnahme, der nach Informationen von User Rights keine Verwarnungen oder sonstige Kontaktaufnahme durch Instagram vorausging, stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 11 EU-Grundrechtecharta) der beschwerdeführenden Partei dar. So wäre - wenn überhaupt - eine mildere Maßnahme, z.B. die Löschung grenzwertiger Inhalte, denkbar und geeignet gewesen, um sensible Nutzerinnen und Nutzer effektiv vor den Kontoinhalten zu schützen. Insgesamt ist hier dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit der beschwerdeführenden Partei Vorrang gegenüber dem Grundrecht auf unternehmerische Freiheit der Plattform (Art. 16 EU-Grundrechtecharta) einzuräumen. Ins Gewicht fällt vor allem, dass die beschwerdeführende Partei bereits einen gewissenhaften Umgang mit zu veröffentlichenden sensiblen Inhalten pflegt. Ihrer Einlassung ist zu entnehmen, dass sie darauf bedacht ist, die Instagram-Richtlinien einzuhalten. 

 

V. Ergebnis

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung, das Konto der beschwerdeführenden Partei dauerhaft zu sperren, ungerechtfertigt ist. Die in der Richtlinie zur Deaktivierung von Konten geregelten Voraussetzungen für eine dauerhafte Kontensperrung liegen nicht vor. Das Konto hätte auf dieser Grundlage nicht gesperrt werden sollen und ist wiederherzustellen. 



 

Hinweis: Die Entscheidungen von außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen sind gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 3 DSA für Plattformen nicht bindend. Im Rahmen ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit nach Treu und Glauben gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 1 des DSA müssen Plattformen jedoch prüfen, ob Gründe gegen die Umsetzung der Entscheidung sprechen und die Streitbeilegungsstellen über die Umsetzung der Entscheidung informieren.



 

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