Beleidigung von Politikerinnen und Politikern als "Ungeziefer"

DECISION: UR_2025_01
OVERTURNED
PLATFORM
instagram
NORM
§ 185 StGB
LANGUAGE
German
DATE
2025-05-07
MEASURE
Leave-Up

Entscheidung

- Aktenzeichen: ​XXXXXXXXXX​ -

 

 

In dem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zwischen
 

XXXXXXXXXX​ 

- die beschwerdeführende Partei -

und

 

Instagram

- Online-Plattform –

wegen 

 

​Instagram​s Entscheidung, gemeldete Inhalte nicht zu löschen 

 

hat die zertifizierte außergerichtliche Streitbeilegungsstelle User Rights durch ihre Streitschlichter am ​07.05.2025​ entschieden:

 

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung von ​Instagram, den Inhalt auf der Plattform zu belassen, ungerechtfertigt ist. User Rights stellt fest, dass der Inhalt gegen das Gesetz verstößt und daher entfernt werden sollte. 

 

I. Zusammenfassung

Die Beschwerde betrifft einen Kommentar einer Nutzerin auf Instagram, der sich abfällig über führende Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen äußert. Der Kommentar bezeichnet die Politiker als Ungeziefer, das bekämpft werden müsse, um Erkrankungen zu vermeiden. Die beschwerdeführende Partei meldete den Kommentar als rechtswidrig, doch Instagram entschied, den Inhalt nicht zu entfernen. 

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung von Instagram, den Inhalt auf der Plattform zu belassen, unbegründet war. Der Kommentar verstößt gegen § 185 StGB, da er die Ehre der betroffenen Politiker durch beleidigende und entmenschlichende Äußerungen verletzt. Daher sollte der Inhalt entfernt werden.

II. Sachverhalt

Die Beschwerde betrifft Inhalte, die von einer dritten Nutzerin veröffentlicht wurden. Der Inhalt besteht aus einem Kommentar von der dritten Nutzerin, welche auf Instagram unter dem Namen ​XXXXXXXXXX​ auftritt. In ihrem Kommentar äußerte die Nutzerin, man müsse gegen „Ungeziefer“ vorgehen, um weitere Krankheiten zu verhindern. Der Beitrag wurde von mehreren Emojis begleitet, darunter ein grünes Gesicht mit Maske, ein wütendes rotes Gesicht, ein Gesicht mit Stirnrunzeln und ein Daumen nach unten.

Der Kommentar bezog sich auf einen Beitrag eines anderen Nutzers, der Bilder führender Politikerinnen und Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen zeigte, darunter Claudia Roth, Anton Hofreiter, Cem Özdemir, Annalena Baerbock, Robert Habeck, Katharina Schulze und Ricarda Lang. Über den Köpfen der abgebildeten Personen war ein Text zu lesen, der dazu aufforderte, den Beitrag als Ausdruck der eigenen Verachtung zu teilen. In einem weiteren Schriftzug unter den Bildern wurde von „purer Verachtung“ für diese Personen gesprochen.

Die beschwerdeführende Partei informierte Instagram über Inhalte, die ihrer Meinung nach illegal waren. Am XX Februar 2025 teilte die Online-Plattform der beschwerdeführenden Partei mit, dass der Inhalt nicht von der Plattform entfernt würde. 

Am 24. April 2025 legte die beschwerdeführende Partei die Entscheidung von Instagram bei User Rights zur Überprüfung vor. Die beschwerdeführende Partei erklärte, dass der Kommentar sich im Kontext des ursprünglichen Beitrags auf verschiedene Politiker*innen der Partei Bündnis 90/Die Grünen beziehe, darunter Claudia Roth, Anton Hofreiter, Ricarda Lang, Cem Özdemir, Annalena Baerbock, Robert Habeck und Katharina Schulze. Der Kommentar sei rechtswidrig gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, da er die Menschenwürde durch die Beschimpfung von Einzelpersonen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei angreife. Zudem verstoße er gegen § 188 Abs. 1 StGB, da er eine Beleidigung gegen Personen des politischen Lebens darstelle, oder zumindest gegen § 185 StGB, da er die abgebildeten Politiker*innen beleidige. Die Aussage, dass diese Personen Ungeziefer seien, welche Erkrankungen verbreiten und bekämpft werden müssten, sei entmenschlichend und verletze die Menschenwürde der abgebildeten Personen. Die beschwerdeführende Partei erklärte, dass sie der Meinung sei, dass der ​Inhalt​ gegen gesetzliche Bestimmungen verstoße. 

Ebenfalls am 24. April 2025 informierte User Rights Instagram über die Beschwerde bei User Rights und gab die Möglichkeit zur Stellungnahme. Instagram beharrte auf seinem Standpunkt, dass der Kommentar keinen Gesetzesverstoß darstelle und daher nicht entfernt werde. 

III. Zulässigkeit

Die Beschwerde ist zulässig. 

User Rights ist zertifiziert, um Streitigkeiten zwischen Anbietern von Online-Plattformen und Nutzern in Bezug auf die Moderation von Inhalten, die auf einer Social-Media-Plattform auf Deutsch oder Englisch veröffentlicht wurden, zu entscheiden. Instagram ist eine Social-Media-Plattform. Der relevante Inhalt ist in Deutsch verfasst, also in einer Sprache, für die User Rights zertifiziert ist. Die beschwerdeführende Partei informierte ​Instagram​ über Inhalte, die sie für rechtswidrig hielt. ​Instagram​ informierte die beschwerdeführende Partei, dass der Inhalt auf der Plattform bleiben würde. Gemäß Art. 20 Abs. 1 a) und Art. 21 Abs. 1 DSA kann die Entscheidung, Inhalte auf der Plattform zu belassen, bei der außergerichtlichen Streitbeilegungsstelle User Rights überprüft werden. 

IV. Begründetheit

Die Beschwerde ist begründet.

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung von Instagram, den Inhalt auf der Plattform zu belassen, ungerechtfertigt war. User Rights stellt fest, dass der Inhalt gegen das Gesetz verstößt und daher entfernt werden muss. 

1. Prüfungsumfang

Wenn Anbieter von Online-Plattformen entscheiden, Inhalte nach einem Hinweis auf deren potenzielle Rechtswidrigkeit auf der Plattform zu belassen, prüft User Rights umfassend im Rahmen seiner Befugnisse, ob die Inhalte gegen Rechtsvorschriften verstoßen. 

2. Inhaltliche Prüfung

User Rights stellt fest, dass die Inhalte rechtswidrig i.S.v. Art. 3 lit. h) DSA sind. Sie sollten daher entfernt werden. Nach Art. 3 lit. h) DSA sind rechtswidrige Inhalte alle Informationen, die als solche nicht im Einklang mit dem Recht eines Mitgliedstaats stehen, ungeachtet des genauen Gegenstands oder der Art der betreffenden Rechtsvorschriften. Dies ist vorliegend gegeben:

Der Inhalt verstößt gegen § 185 StGB in Bezug auf die Beleidigung einer natürlichen Person unter Kollektivbezeichnung. 

Unter einer Beleidigung im Sinne von § 185 StGB ist der Angriff auf die Ehre einer Person durch vorsätzliche Kundgabe von Nicht-, Gering- oder Missachtung zu verstehen (Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 1 m.w.N.). Erforderlich ist, dass der betroffenen Person der sittliche, personale oder soziale Geltungswert durch das Zuschreiben negativer Qualitäten ganz oder teilweise abgesprochen wird (Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 2 m.w.N). Dies kann insbesondere durch Äußerung eines beleidigenden Werturteils gegenüber der betroffenen Person erfolgen (Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 1 m.w.N). Maßgeblich ist nicht, wie die äußernde Person die Äußerung versteht oder wie die empfangende Person diese tatsächlich verstanden hat, sondern wie diese die Äußerung verstehen durfte, d.h. ihr durch Auslegung zu ermittelnder objektiver Sinngehalt (Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 8 m.w.N.).”

Sofern eine Beleidigung gegen mehrere Personen unter Verwendung einer Kollektivbezeichnung geäußert wird, ist entscheidend, ob sich diese gegen einen abgrenzbaren und überschaubaren Personenkreis richtet. 

Der Kommentar forderte, „Ungeziefer“ zu beseitigen, um weitere Krankheiten zu verhindern, und bezog sich auf einen klar abgegrenzten Personenkreis – nämlich die führenden Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen, die auf dem Bild dargestellt waren. Diese Personen sind deutlich aus der Allgemeinheit hervortretend und lassen sich zweifelsfrei bestimmen. 

Die Bezeichnung als "Ungeziefer" ist nach ihrem objektiven Sinngehalt eine klare Äußerung der Geringschätzung und Missachtung bis hin zu einer Entmenschlichung. Die abgebildeten Politiker werden mit Krankheiten verbreitenden Tieren verglichen, die es zu vernichten gelte. Damit wird die Menschenwürde der Politiker missachtet.  Es handelt sich um ein strafrechtlich relevantes, beleidigendes Werturteil gemäß § 185 StGB. Die Entscheidung der Plattform, die Inhalte nicht zu entfernen, war fehlerhaft.

Es kann dahinstehen, ob der gemeldete Inhalt zudem gegen die §§ 130 Abs. 1 Nr. 2, 188 StGB verstößt. Die Online-Plattform sollte den Inhalt bereits aufgrund des festgestellten Verstoßes gegen § 185 StGB entfernen. 

V. Ergebnis

User Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung von ​Instagram, den Inhalt auf der Plattform zu belassen, ungerechtfertigt ist. User Rights stellt fest, dass der Inhalt gegen das Gesetz verstößt und daher entfernt werden sollte. 

 

Hinweis: Die Entscheidungen von außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen sind gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 3 DSA für Plattformen nicht bindend. Im Rahmen ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit nach Treu und Glauben gemäß Artikel 21 Abs. 2 Satz 1 des DSA müssen Plattformen jedoch prüfen, ob Gründe gegen die Umsetzung der Entscheidung sprechen und die Streitbeilegungsstellen über die Umsetzung der Entscheidung informieren.
 

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